Wie man Trinkwasser aus Salzwasser gewinnt
von Gerd Fürstenberger
97 Prozent der Wasserressourcen der Erde liegen als Salzwasser vor. In manchen Regionen der Welt sind Meere und andere salzhaltige Gewässer schon jetzt eine der Hauptsüßwasserquellen. Quelle: https://www.pexels.com/ | Autor: Zaid Abu Taha
In regenarmen Regionen ist bereits heute entsalztes Meerwasser die primäre Trinkwasserquelle. In der Golfregion, in Kalifornien oder Singapur stehen gigantische Entsalzungsanlagen, die täglich mehrere Millionen Kubikmeter Trinkwasser produzieren. Dem reichen Ertrag solcher High-Tech-Süßwasserfabriken stehen in der Negativbilanz ein hoher Energieaufwand und die enorme Belastung für die Umwelt gegenüber. Neue Techniken sind gefordert, die auch für wirtschaftlich schwache Schwellenländer eine Lösung bieten.
Beispiel Kalifornien: Der US-Bundesstaat leidet seit vielen Jahren unter Trockenheit und Dürre, was unter anderem dazu führt, dass die Grundwasserpegel sinken. Angesichts der dramatischen Wasserknappheit setzen heute viele Gemeinden auf Meerwasserentsalzung. San Diego eröffnete Ende 2015 eine Anlage, die für die westliche Hemisphäre neue Rekorde aufstellt: Sie ist in der Lage, fast 200 Millionen Liter Trinkwasser pro Tag zu produzieren.
Als groß gelten bereits Anlagen, deren Produktionsmenge 50 Millionen Liter am Tag überschreiten. Davon gibt es weltweit etwa 500. Die meisten Anlagen – insgesamt viele Tausende – erreichen diese Größe nicht. „In wachsenden Küstenstädten wird der Wert der Meerwasserentsalzung rapide steigen“, ist John Lienhard, Direktor des Center for Clean Water and Clean Energy am Massachusetts Institute of Technology (MIT) gegenüber der Zeitschrift „Technology Review“ überzeugt.

Meerwasser zu verdampfen ist eine kostspielige Methode. Dubai hat die finanziellen Möglichkeiten für die teure Technologie. Quelle: https://unsplash.com | Autor: Nahel Abdul Hadi
Unterschiedliche Verfahren
Die Entsalzung von Meerwasser war schon in der Antike bekannt. Auch Aristoteles, der nicht nur Philosoph, sondern auch Naturforscher war, experimentierte mit diversen Entsalzungsmethoden. Eine seiner Ideen war es, ein Tongefäß mit einer speziellen Membran zu überspannen, die Salzmoleküle zurückhält, Wassermoleküle aber durchlässt. Der Tonkrug wurde im Meer versenkt. Ein im Prinzip wirksames, aber noch nicht sehr ertragreiches Verfahren. Heute haben wir ganz andere Möglichkeiten.
Moderne Methoden der Entsalzung ahmen den natürlichen Wasserkreislauf nach, bei dem Wasser verdampft und wieder (in Wolken) kondensiert und aufgefangen wird. Besonders verbreitet ist die mehrstufige Entspannungsverdampfung (MSF). Bei diesem Verfahren wird das Meerwasser mit Kraftwerksabwärme auf eine Temperatur von mehr als 100° Celsius erhitzt, also sozusagen gekocht. Es verdampft dann stufenweise in hintereinander geschalteten Kammern, wobei der salzfreie Wasserdampf an mit Kühlflüssigkeit gefüllten Rohrleitungen zu Süßwasser kondensiert.
Ein anderes weit verbreitetes, ebenfalls mehrstufiges Verfahren ist die Umkehrosmose, bei dem elektrisch betriebene Pumpen das salzhaltige Wasser – siehe Aristoteles – unter hohem Druck durch halbdurchlässige (semipermeable) Membranen pressen. Diese halten als Filter neben Salzen auch Bakterien, Viren, Kalk und Gifte wie Schwermetalle zurück. Auf dieses Verfahren setzt unter anderem die erwähnte Anlage in Kalifornien. Bei der Membrandestillation schließlich nutzt man eine mikroporöse Membran, die nur Wasserdampf durchlässt und flüssiges (Salz-)Wasser zurückhält.
Nicht unproblematisch
Die Entsalzung trägt in vielen Ländern auf diese Weise längst zur Wasserversorgung der Bevölkerung bei. Alle etablierten Verfahren haben aber Nachteile. Sowohl das Erhitzen als auch das Pumpen des Wassers erfordern große Mengen an Energie: ersteres bis zu zehn Kilowattstunden Strom pro Kubikmeter Süßwasser. Das treibt die Kosten in die Höhe und setzt zudem große Kohlendioxidmengen frei.

Mit dem Meerwasser, das Entsalzungsanlagen abpumpen, werden auch kleine Meerestiere angesaugt, kritisieren Umweltschützer. Quelle: https://unsplash.com | Autor: Lance Anderson
Umweltschützer kritisieren überdies, dass die Entsalzungsanlagen mit dem Wasser auch kleine Meerestiere ansaugen und töten. In der Regel wird die verbliebene Salzlauge in den Ozean zurückgeleitet: „Sie ist wesentlich salzhaltiger als Meerwasser“, so Henry Vaux, emeritierter Professor für Ressourcenwirtschaft der University of California in Riverside, gegenüber dem US-Sender CNBC, „das hat nachteilige Folgen für die küstennahe Umwelt“.
Alternativen für die Zukunft
Die Suche nach kostensparenden und umweltverträglicheren Alternativen und Technologien ist deshalb längst in vollem Gang. Und durchaus mit Erfolg. Deutlich preisgünstiger und energiesparender als bisherige Verfahren ist etwa eine Methode, die sich Ionenkraft zunutze macht. Sie wird derzeit in Pilotanlagen in Singapur und Kanada erprobt und basiert auf der Tatsache, dass Salz (Natriumchlorid) im Wasser in Form von positiv geladenen Natrium-Ionen und negativ geladenen Chlorid-Ionen treibt.
Salzwasser wird bei diesem Verfahren in vier Becken geleitet. In einem von ihnen erhöht man die Salzkonzentration im Wasser, indem man – vorzugsweise durch Sonnenergie – einen Teil des Wassers verdunsten lässt. Mit diesem Becken sind zwei der anderen über Polystyrolmembranen verbunden, die jeweils nur Natrium- bzw. Chlorid-Ionen passieren lassen. So entsteht in diesen beiden Becken ein Natrium- bzw. Chlorid-Ionenüberschuss. Wenn sie mit dem vierten Becken über (nicht selektive) Membranen verbunden werden, diffundieren die Ionen aus diesem Becken zum Ionenausgleich in Becken zwei und drei. Das Wasser in Becken vier wird somit salzfrei.
Große Herausforderungen, große Chancen
Experten haben keine Zweifel: Die Entsalzung von Meerwasser bietet große Chancen für die Weltbevölkerung. Um diese aber auch verstärkt in besonders armen Ländern nutzen zu können, kommt geförderter Forschung großer Wirtschaftsnationen eine wichtige Rolle zu. Ökologische Ziele müssen dabei der verstärkte Einsatz regenerativer Energiequellen sowie verminderte Umweltbelastungen durch Kohlendioxid, Salzlake und Chemikalien sein.
Quellen:
- http://www.faz.net/aktuell/technik-motor/technik/salzwasser-trinkbar-machen-durch-entsalzungsanlagen-15669505.html
- https://www.deutschlandfunk.de/sparsamer-salzfrei.676.de.html?dram:article_id=29174
- https://www.heise.de/tr/artikel/Mit-Ionenkraft-gegen-den-grossen-Durst-889106.html
- http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/meerwasser-entsalzung-soll-duerre-in-kalifornien-lindern-a-1028165.html
- https://de.wikipedia.org/wiki/Meerwasserentsalzung
- https://web.archive.org/web/20110124084720/http://www.hydrology.uni-kiel.de/lehre/seminar/ws04-05/frerk_meerwasserentsalzung.pdf