Mensch und Natur

Wald und Wasser im Klimawandel

von TapWater Digest

Der eigentümliche Zauber des Spessarts war Inspirationsquelle für zahlreiche Sagen und Märchen. Quelle: www.palmundenke.de | Autor: Fabian Birke

Bereits seit Generationen lernen wir in der Schule, dass Bäume eine zentrale Rolle im CO2-Haushalt der Erde spielen und daher ein wichtiger Faktor beim Thema Klimaschutz sind. Auch ihre Bedeutung für den Trinkwasserhaushalt ist enorm, aber wenig bekannt. Dabei leisten unsere Wälder Unglaubliches für unsere Trinkwasserversorgung. Dieser Umstand könnte angesichts von Dürre- und Trinkwasserknappheitsprognosen in Zukunft noch bedeutungsvoller werden. Eine Einladung zu einem Spaziergang durch ein Wasserwerk der besonderen Art.

Wer sich in der kalten Jahreszeit in der Frühe zu einem Waldspaziergang aufmacht, kann mit ein wenig Glück Zeuge eines gewaltigen Naturschauspiels werden. In den Morgenstunden hüllt sich der Wald noch in ein dickes Nebelgewand. Erst nach und nach gibt er den Blick auf die atemberaubende Farbenpracht der Bäume frei. Die ersten Sonnenstrahlen bahnen sich zaghaft ihren Weg durch Nebel und Geäst. Der Duft von gefallenem Laub und feuchter Erde, das Knacken der Äste – lassen wir uns darauf ein, bereitet uns der Wald ein multisensorisches Spektakel, das der modernste Hightech-Kinosaal nicht nachbilden könnte. Und während wir die neu entdeckte Nähe zur Natur wieder genießen lernen, sichern der Wald und seine Bewohner fast unbemerkt unsere wichtigste Lebensgrundlage: sauberes Trinkwasser.

Wasserwerk Wald

Gut 70 Prozent des Trinkwassers in Deutschland stammt aus Grund- und Quellwasser unterhalb bewaldeter Gebiete. Damit ist der Wald unser wichtigster Trinkwasserspeicher. Und der ist immens. In einem Hektar Wald liegen etwa drei Millionen Liter Wasser verborgen. Niederschläge oder Feuchtigkeit aus der Luft sammeln sich zunächst in den Baumkronen und tropfen dann auf den Waldboden. Der ist durchsetzt von feinen Gängen, Hohlräumen und Poren, in denen das Wasser versickert und zwischengespeichert wird.  

Bereits in der Humusschicht wird das Wasser durch Stoffwechselprozesse von Wurzelwerk und dort lebenden Organismen gefiltert und mit Mineralien angereichert. Von hier gelangt es dann auch in tiefere (Gesteins-)Schichten, die das Wasser weiter filtern und anreichern, bis es schließlich das Grundwasser erreicht. Das Wasser braucht sehr lange, um sich seinen Weg durch all die winzigen Kanäle und Verästelungen zu bahnen, weshalb der Waldboden wie ein Schwamm wirkt. Besonders viel Grundwasser entsteht während der Wintermonate, da die Pflanzen zu dieser Zeit selbst weniger Wasser benötigen. 

Der Zustand des Waldes und die Qualität der Böden sind die entscheidenden Faktoren, die am Ende über die Qualität des Grundwassers entscheiden. Besonders gute Trinkwasserqualität entsteht hauptsächlich unter Laub- und Mischwäldern wie beispielsweise dem Spessart, der die größte zusammenhängende Laubwaldfläche in Deutschland aufweisen kann. Die von den Fichten, Lärchen oder Tannen abgeworfenen Nadeln sorgen für saure, mineralstoffarme Böden. Im Laub von Eiche und Co. sind dagegen mehr Nährstoffe enthalten, dadurch ist der Boden darunter reicher an Mineralien. 

Diese gehen in das Wasser über und sorgen für einen Sättigungseffekt. Infolgedessen kann es weniger Schadstoffe aufnehmen. Die stärkere Durchwurzelung des Bodens unter Laubbäumen sorgt zudem für mehr Sickerwasser, was einen Verdünnungseffekt im gespeicherten Wasser hat. Außerdem haben Laubbäume im Winter kein Laub, daher kommt mehr Wasser am Boden an und versickert. Dagegen „fehlt“ durch die Transpiration im Kronenraum der Nadelbäume hier ganzjährig Wasser auf dem Boden.

Der Spessart liegt auf einem großen Buntsandsteinvorkommen, durch das sich das Wasser seinen Weg bahnen muss. Da es auf seinem Weg auf natürliche Art gefiltert wird, ist das Wasser hier relativ kalkarm. Quelle: www.palmundenke.de | Autor: Fabian Birke

Gesunder Wald ist gleich gutes Wasser

Mensch und Klimawandel setzen den Wäldern aber nach wie vor zu, was auch Einfluss auf die Wasserqualität hat. Nach dem Zusammenbruch der Fichtenbestände im Bayerischen Wald durch Borkenkäferbefall erhöhten sich dort die Nitratwerte des Wassers über fünf Jahre hinweg. Dies liegt an erhöhten Stickstoffeinträgen. Denn Baumkronen filtern Schadstoffe wie diese aus der Luft. Beim nächsten Niederschlag werden sie abgewaschen und gelangen in den Boden. Im Wachstumsprozess nehmen die Bäume dann den Stickstoff auf. Sterben die Bäume oder werden sie gefällt, wird insgesamt weniger Stickstoff aus dem Boden aufgenommen und dafür mehr eingebracht.

Generell ist die Wasserqualität unter intakten Waldgebieten besser als unter Acker- oder Wiesenflächen. Daher können rund zwei Drittel des unter bewaldeten Arealen entnommen Trinkwassers naturbelassen und ohne Aufbereitung durch Wasserwerke direkt an den Verbraucher weitergeleitet werden. Das ist auch dem Umstand zu verdanken, dass der Wald häufig Schutzgebiet ist. So befinden sich beispielsweise zwei Drittel der bayerischen Wasserschutzgebiete im Wald. Hier dürfen unter anderem keine Düngemittel oder Pestizide eingesetzt werden. Anders als in der Landwirtschaft gibt es also in der Forstwirtschaft keine Diskussion über zu hohe Nitratwerte, da hier schon seit Jahrzehnten auf natürliche Methoden gesetzt wird. 

Forstbetriebsleiter Joachim Keßler ist für mehr als 16.000 Hektar Wald und 50 Mitarbeiter verantwortlich. Quelle: www.palmundenke.de | Autor: Fabian Birke

Wer glaubt, dass die Wälder ihre wertvolle Aufgabe ganz alleine bewältigen, ist auf dem Holzweg. Nur wenige Prozent der Forstflächen in Deutschland liegen brach. Der Großteil wird – mal mehr, mal weniger intensiv – durch Forstbetriebe oder private Waldbesitzer bewirtschaftet. Ein nachhaltiger Umgang steht bei der Nutzung der Wälder im Vordergrund. Das bedeutet: Verzicht auf Kahlschlag, Dünger, Pflanzenschutzmittel und eine naturnahe Aufforstung. So handhabt es auch der Forstbetrieb Heigenbrücken im Spessart, wie Betriebsleiter Joachim Keßler erklärt. Die nachhaltige Bewirtschaftung verursacht allerdings hohe Kosten, die sich Privatbesitzer und Betriebe gerne in Form eines „Wasser-Cents“ von der Gesellschaft zurückholen würden. Doch in Deutschland gilt Wasser als Allgemeingut und darf ohne Gegenleistung entnommen werden. In der Agrarwirtschaft ist es dagegen bereits üblich, dass Wasserversorger die Landwirte ihrer Region finanziell unterstützen, um das Ausbringen von Düngemitteln oder Pestiziden zu verringern.

Eingefasste oder natürliche Quellen wie diese findet man im Spessart vor allem in mittleren Hanglagen, da hier das Wasser vermehrt zutage tritt. Quelle: www.palmundenke.de | Autor: Fabian Birke

Sorgenkind Fichte

Neben den Schadstoffeinträgen sind es vor allem der Klimawandel und damit einhergehende Dürreperioden beziehungsweise Niederschlagsverschiebungen, die den Wäldern weltweit zusetzen. Nach Einschätzung von Experten, darunter Dr. Tanja Sanders, Leiterin des Arbeitsbereiches Waldökologie und Biodiversität am Thünen-Institut für Waldökosysteme in Eberswalde, ist die Situation in Deutschland noch nicht ganz so dramatisch: „Ich persönlich würde noch nicht von einem Waldsterben sprechen. Es stirbt nicht das Ökosystem Wald, sondern es sterben regional meist einzelne Bäume ab. Und zwar ganz bestimmte Arten aus meist klar definierten Gründen.“

Besonders schwer hat es, da sind sich alle Experten einig, die Fichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden nicht nur im Eiltempo Siedlungen hochgezogen, es musste auch für die notwendigen Ressourcen gesorgt werden. Dazu gehörte nicht zuletzt Holz. „Das wurde natürlich mit Bäumen gemacht, die schnell wachsen und schnell Bau- oder Brennholz bringen, und das ist nun einmal die Fichte, die vor allem im Süden und Süd-Westen gepflanzt wurde“, erzählt Sanders. Doch: „Wir wissen schon seit 40 Jahren, dass die Fichte in Monokulturen an Standorten wie den Südlagen des Schwarzwalds nicht mehr optimal ist.” Überrascht ist sie nicht, dass es dort nun zu Problemen kommt. 

Fichten kommen auch deshalb so schlecht mit den neuen klimatischen Bedingungen zurecht, weil sie Flachwurzler sind. Zwar können sie wie andere Bäume Senkwurzeln ausbilden, sind aber durch die geringe Sauerstoffversorgung im Boden limitiert. Bleiben Niederschläge länger aus, sitzt die Fichte schneller auf dem Trockenen als andere Baumarten. So wird sie zu einem leichten Opfer für den Borkenkäfer. „Eine gesunde Fichte, die schön im Saft ist, kann einen Borkenkäferbefall durch Harzströme, das Ausspritzen von Harz und das Zukleistern von Einbohrlöchern bekämpfen. Eine geschwächte Fichte kann das nicht mehr“, erklärt Joachim Keßler.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Fichte wegen ihrer wirtschaftlichen Vorteile bevorzugt kultiviert. Doch den klimatischen Herausforderungen von heute scheint sie nicht gewachsen. Quelle: www.pixabay.com | Autor: Hans

Über Leben und Tod

Neben der Fichte hat – überraschend für die Experten – auch die Buche stark unter der Trockenheit zu leiden. Die Buche ist ein Schattenbaum, der nicht gut mit Blatttemperaturen über 42 Grad zurechtkommt. Aufgrund der Hitze bekommen die Blätter eine Art Sonnenbrand und sterben ab. Auch die Rinde kann durch starke Sonneneinstrahlung geschädigt werden. Bei anderen Laubbäumen kommt es nach Hitzeperioden ebenfalls zu einem verfrühten Laubabwurf. Der Baum sichert sich so sein nacktes Überleben, benötigt aber, laut Dr. Tanja Sanders, bis zu vier Jahre, um sich zu erholen. 

Nicht nur der Laubabwurf und die damit verbundene Schwächung der Bäume ist ein Problem. Eichen werfen ihre Frucht nur alle vier bis sechs Jahre ab. Das war im Sommer und Herbst 2018 im Spessart der Fall. Zwar haben die Bäume gut getragen, doch durch die Hitze sind mehr Samen als sonst vertrocknet. Und diese sind die Grundlage für den Wald von Morgen. Ein einzelner Dürresommer kann sich auf Jahrzehnte auswirken, wenn nicht sogar Jahrhunderte. Denn ein Wald braucht Zeit zum Wachsen und auch zum Reagieren. „Was wir jetzt an Wäldern sehen, ist ungefähr zur Gründung des Deutschen Reichs angelegt worden”, erzählt Joachim Keßler. Wie der Wald in zwei oder zehn Jahren aussieht, vermag niemand mit Sicherheit zu sagen. 

Als besonders zukunftsfähig schätzt Dr. Tanja Sanders Waldbestände ein, die eine gewisse Artenvielfalt aufweisen: „Eine Mischung aus mindestens drei Arten, auch Laub- und Nadelbäume gemischt und am besten noch eine Altersmischung, wäre ideal.“ Denn Schädlinge können sich in Mischwäldern nicht so leicht ausbreiten. Die Laubbäume sorgen für ein feuchteres Klima und damit für eine geringere Brandlast durch Totholz, das dank der Feuchtigkeit schneller verrottet. Auch brennt ein feuchter Wald nicht so schnell wie ein trockener.

Unabhängig von der Art sind es vor allem zwei Faktoren, die über die Überlebenschancen in Dürrezeiten entscheiden: der Standort und das Alter. Dass beispielsweise der eigentlich niederschlagsreiche Schwarzwald mit der Dürre zu kämpfen hat, liegt nicht nur an den großflächigen Fichtenmonokulturen per se, sondern auch daran, dass Fichten häufig auf Böden in Hanglage mit Südexposition gepflanzt wurden. Hier sind die Bäume der Sonne besonders ausgesetzt, und das Wasser hat kaum Gelegenheit zu versickern. Als besonders dramatisch wird in der Öffentlichkeit das Sterben von prominenten, sehr alten Baumexemplaren betrachtet. Es sei aber auch Teil eines natürlichen Prozesses, wie Dr. Sanders erläutert: „Zum Ökosystem Wald gehört immer auch die Zerfallsphase. Besonders Extremereignisse leiten diese oft ein.“ 

Für Forstbetriebsleiter Joachim Keßler gehört ein Waldspaziergang zum täglich‘ Brot. In seinem Revier ist der Spessart noch größtenteils intakt, dennoch muss der Waldumbau weitergehen. Quelle: www.palmundenke.de | Autor: Fabian Birke

Homo faber

Angesichts der langsamen Reaktionszeit der Waldbestände scheint ein (erneutes) Eingreifen des Menschen unausweichlich. In Deutschland hat die nachhaltige Forstwirtschaft eine lange Tradition. Zum Beispiel verzichtet man schon seit Jahrzehnten auf eine Vollholzentnahme, also auf das Entfernen des Baumes mit der Wurzel. Das schont vor allem die Böden. Neu gepflanzt wird laut Dr. Sanders in Deutschland wenig. Man setze bevorzugt auf natürliche Verjüngung. Etwas anderes sei es jedoch, wenn der Wald durch Krankheitsbefall, Trockenheit oder Waldbrände extrem gelitten hat. Dann sind Neupflanzungen notwendig.

In solchen Fällen setzt man im Spessart besonders auf die Kultivierung von Eichen, die, wie beispielsweise auch die Hainbuche oder die Linde, zu den heimischen Baumarten gehört, die relativ gut mit der Hitze klarkommen. Von der Pflanzung nichtheimischer Arten aus trockeneren Erdregionen hält man hier jedoch nicht viel. „Wir machen selten Experimente. Die Baumarten, die hier ursprünglich von Natur aus waren – also überwiegend Buchenwälder und gemischte Laubholzwälder – sind vermutlich auch die Widerstandsfähigsten“, erläutert Joachim Keßler. „Denn schließlich mussten sie sich über Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte gegen viele Extremereignisse durchsetzen. Ein Baum, der hier alt geworden ist, muss also die geeignete Genetik für diesen Lebensraum haben.“ 

Ähnlich sieht es Dr. Tanja Sanders. Ihre Kollegen und sie haben festgestellt, dass sich Bäume durchaus an die klimatischen Veränderungen anpassen. Und das unabhängig von der Art: „Das Spannende ist, dass sogar jeder einzelne Baum auf mehr Hitze oder weniger Niederschlag anders reagiert. Bäume haben also ein individuelles Temperaturempfinden wie wir Menschen. Das hat sich sogar im Klonversuch bestätigt.“ Dieser kuriose Effekt soll in Zukunft weiter erforscht werden und kann vielleicht eine der vielen Lösungen zum Schutz unserer Wälder und Trinkwasserbestände sein.

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