Abwassertechnik

Karl Imhoff: Auf einmal riecht’s nicht mehr

von TapWater Digest

Die Bauarbeiten am Bochumer Klärwerk werden kurz für die Kamera unterbrochen. Auch hier war Imhoffs Emscherbrunnen Vorbild. Quelle: Emschergenossenschaft, Archiv | Autor: Emschergenossenschaft

Heute ist es eine selbstverständliche Forderung, Abwasser zu reinigen, bevor wir es in  Flüsse leiten. Im Jahr 1882 nahm die erste Kläranlage auf dem europäischen Festland in Frankfurt-Niederrad ihren Betrieb auf. Bis zu unseren modernen, hochtechnisierten Anlagen war es damals noch ein weiter Weg, der von ausgefeilter Ingenieurskunst geprägt ist. Unter den Innovatoren hat einer die biologische Abwasserreinigung wie kein anderer vor ihm vorangetrieben: Karl Imhoff.

Das Ruhrgebiet zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Die Industrialisierung läuft auf Hochtouren, die Städte wachsen rasant, nicht minder die Bevölkerung. Das fordert seinen Tribut. Immer wieder treten Seuchen auf. 1902 fordert eine Typhusepidemie in Gelsenkirchen um die 200 Todesopfer. Klar ist den Verantwortlichen bald, dass die Krankheiten vor allem mit der schlechten Wasserqualität zusammenhängen. Denn Trink-, Brauch- und Abwasser sind nicht getrennt. Alles kommt aus und landet wieder im selben Fluss.

1904 erlässt die preußische Regierung das „Emschergenossenschaftsgesetz“, das den Zusammenschluss der Städte an der Emscher, darunter Dortmund, Recklinghausen, Gelsenkirchen, Essen und Duisburg, vorsieht, um die Versorgung mit sauberem Wasser zu gewährleisten. Es ist die Geburtsstunde der Emschergenossenschaft. Der neu gegründete Verband beweist bei der Personalwahl ein glückliches Händchen. Er macht 1906 den frisch promovierten Bauingenieur Karl Imhoff zum Leiter ihres Abwasseramtes und zum stellvertretenden Baudirektor. 

Die Abbildung zeigt einen Emscherbrunnen mit einer Dreikammerklärung im Querschnitt. Quelle: Emschergenossenschaft, Archiv | Autor: Emschergenossenschaft

Die Erfindung des Emscherbrunnens

Der Mannheimer Imhoff ist damals 30 Jahre alt und fasziniert von der „biologischen Abwasserreinigung“, von der auch seine Dissertation an der Technischen Hochschule in Dresden handelt. Das Prinzip: Klärung und Aufbereitung des Wassers auf eine Weise, wie die Natur es tut. Der Vorteil ist, dass diese Methoden im „praktischen Betrieb zuverlässiger sind [...], weil sie weniger von der guten Bedienung abhängen.“ Ein Problem ist allerdings der Faulgas-Geruch, besonders in einer dichtbesiedelten Gegend. Im Ruhrgebiet leben damals etwa zwei Millionen Menschen.

Aber Imhoff hat eine Lösung und meldet noch im selben Jahr das Patent Nr. 187723 an: den Emscherbrunnen, auch Imhoff-Tank genannt. Diese Mini-Kläranlage reinigt in einem runden oder rechteckigen Klärbecken das Abwasser durch Schlammfaulung. Das trichterförmige Klärbecken ist fast 15 Meter tief und hat einen Durchmesser von bis zu neun Metern. Die Funktionsweise ist einfach: Das zu klärende Wasser fließt in Längsrichtung in einem unten offenen Kanal durch das Becken. Dabei sinkt der Schlamm durch sein Eigengewicht nach unten und rutscht in den Faulraum. Dieser Faulschlamm wird regelmäßig entnommen, genauso wie der Schwimmschlamm auf beiden Seiten des Kanals. Der entnommene Schlamm kann dann geruchlos ausfaulen. Absetzraum und Faulraum sind getrennt. Das bereits gereinigte Wasser wird daher nicht wieder verschmutzt. Zudem hat das Wasser jederzeit eine ausreichende Sättigung mit Sauerstoff, so dass keine weitere Fäulnis entsteht. Auf einmal riecht Abwasser nicht mehr nach Abwasser.

Karl Imhoff gilt bis heute als Pionier der Abwassertechnik und war schon in seiner Zeit ein hoch geachteter Ingenieur. Quelle: Emschergenossenschaft, Archiv | Autor: Emschergenossenschaft

Erfolge als Ingenieur

Die Erfindung ist ein Erfolg. Das Patent ist, resümiert Imhoff in seinen Berufserinnerungen, „das erste und zugleich das einzige, das mir Geld einbrachte“. Er selbst baut bis 1914 an der Emscher zwei Dutzend dieser Brunnenanlagen. Sein Erfolg in Amerika ist noch größer. Imhoff hat dort ein Büro und vergibt Lizenzen. Der Erfinder ist viel in England und Amerika unterwegs, weil „man da etwas lernen kann“. Die USA-Reisen zählen zu seinen „schönsten Erinnerungen“. 

Auch später als Baudirektor des Ruhrverbandes von 1922 bis 1934 lassen Imhoff die biologischen Reinigungsverfahren und die Selbstreinigungsvorgänge in Gewässern nicht los. Sein Plan: eine Kette mit sieben Seen von Hagen bis zum Rhein. Drei von diesen Ruhrstauseen werden noch unter seiner Leitung fertig: der Hengsteysee 1929 bei Hagen, der Hakortsee 1931 bei Wetter und 1933 der Baldeneysee in Essen. Die Stauseen verlangsamen die Fließgeschwindigkeit der Ruhr. So setzt natürliche Sedimentation ein und Mikroorganismen im Wasser erhalten Zeit, es zu reinigen. Zudem gewinnen die Menschen des Ruhrgebiets durch die Seen an Lebensqualität. Imhoff merkt in seinen „Lebenserinnerungen“ an, dass der Baldeneysee von den Essenern vor allem als Naherholungsort und für den Wassersport genutzt wird – der ursprüngliche Zweck ist vergessen.

Primus inter pares

Imhoff stirbt im September 1965 in seiner Wahlheimat Essen. Kurz zuvor hatte der Verein des Gas- und Wasserfachs ihm die Bunsen-Pettenhofer-Ehrentafel verliehen, den höchsten Preis der Wasserbau-Branche in der Bundesrepublik. 1953 wurde er mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik ausgezeichnet und erhielt die Ehrendoktorwürden der Technischen Hochschulen Karlsruhe, Stuttgart und Aachen. Der Chemiker Wilhelm Husmann, ein Weggefährte beim Kampf für sauberes Wasser durch biologische Abwasserreinigung an der Emscher, gedenkt Imhoff in der Neuen Deutschen Biographie: „Mit seinem Wirken hat er der Weltgesundheit unschätzbare Beiträge geliefert.“

 

Sein Wissen hält Imhoff im „Taschenbuch der Stadtentwässerung“ fest – auch heute noch ein Standardwerk für Wasserbauer, das in neun Sprachen übersetzt wurde und aktuell in der 32. Auflage erscheint. Auch seine Imhoff-Tanks werden bis heute in Kläranlagen zur Vorklärung verwendet. 

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