Dr. Monique Bissen

„Der Mensch hat sich den Kalk zum Feind gemacht“

von Katharina Raab

Dr. Monique Bissen hat als promovierte Ingenieurin für Wasseraufbereitung mehr als 20 Jahre Erfahrung im Bereich Wasserfiltration. Quelle: https://www.icon-h2o.com/ | Autor: Fabian Birke

Wasser bahnt sich seinen Weg. Nicht nur durch Gestein, wo es Magnesium, Calcium und Bicarbonat aufnimmt. Es inkorporiert auch allerlei andere Substanzen, die wir nur ungern in unserem Glas Wasser wissen möchten, das wir uns zur Erfrischung aus der Leitung zapfen. Nicht alles, das klar, das rein aussieht, ist auch gut für uns, weiß Dr. Monique Bissen, Geschäftsführerin des Wasserfiltrationsspezialisten ICon. Sie unterstützt mit ihrem Fachwissen das junge Unternehmen LUQEL und spricht mit uns im Interview über guten Kalk, den pH-Wert des Lebens und das menschliche Unvermögen, wirklich zwischen gesundem und kontaminiertem Wasser zu unterscheiden.

Frau Dr. Bissen, kann man die Qualität von Leitungswasser mit bloßem Auge erkennen?

Leider nein. Denn hier liegt das Problem: Mit bloßem Auge können wir Wasser nicht ansehen, ob es trinkbar ist oder nicht. Sedimente, Rostpartikel, eingespülter Schlamm lassen bei uns automatisch die Alarmglocken schrillen. Doch auch das glasklare Wasser eines Gebirgsbachs könnte, entnimmt man es nicht direkt an der Quelle, bereits Bakterien enthalten. Hier schrillt nichts, hier wähnen wir uns in Sicherheit.

Welche Stoffe sind Grundsätzlich im Trinkwasser enthalten?

Vor allem Mineralien, wie Calcium, Magnesium, Natrium und Kalium auf der einen, Bicarbonat, also Kalk, Chlorid und Sulfat auf der anderen Seite. Unser Körper braucht diese Stoffe, um leistungsfähig zu sein. Außerdem finden sich im Wasser wertvolle Spurenstoffe wie Eisen oder Mangan. Wenn diese oxidieren, sorgen sie für eine unschöne rötliche Färbung. Deshalb versuchen Wasserwerke sie aus dem Rohwasser zu entfernen. Im Wasser können aber auch Stoffe vorkommen, die von Natur aus enthalten sind, aber für den Menschen in zu hoher Konzentration schädlich sein können. Dazu zählen Aluminium, Chrom, Kupfer, Blei oder Arsen. Andere Schadstoffe werden durch den Menschen eingebracht, darunter Pestizide, Glyphosat und Nitrat.

Welches Wasser ist gut für uns?    

Das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht ist das wichtigste Gleichgewicht in der Natur. Es sorgt dafür, dass es im besten Fall bei einem pH-Wert von etwa 7 im Wasser bleibt. Das ist der pH-Wert des Lebens. Ein Wasser darf nicht zu sauer sein, ein Wasser darf nicht zu alkalisch sein. Damit das funktioniert ist das Wasser idealerweise ein bisschen kalkhaltig. Kommt eine Säure hinzu, setzt sich das Bicarbonat, also der Kalk, im Wasser in Kohlensäure um, strömt gasförmig aus, während der pH-Wert gleichbleibt. Das heißt, es findet eine chemische Reaktion statt, ohne dass der pH-Wert abfällt oder ansteigt. Das ist das Essentielle, das sich zum Beispiel auch bei saurem Regen zeigt. Saurer Regen hat nicht in ganz Deutschland Waldsterben verursacht, sondern immer nur in den Regionen, in denen das Wasser oder der Boden wenig Kalk enthält.

Zu viel Kalk schadet allerdings unseren Rohren, Wasserkochern und Kaffeemaschinen.

Ja, vor allem aus warmen Wasser löst sich Kalk schneller heraus und lagert sich in unseren Rohrleitungen oder Elektrogeräten ab. Das war aber von der Natur nie so vorgesehen. Wenn wir den Kalk mit Filtern, beispielsweise mit Ionen-Austauschern, sogenannten Enthärtern, entfernen, sind die Rohre zwar kalkfrei, aber auch unser Wasser. Und dadurch verliert es an Geschmack.

Woran liegt das?

Ionenaustauscher unterscheiden nicht zwischen Schadstoff und Nährstoff. Calcium und Magnesium bestimmen einerseits den Kalkgehalt eines Wassers, also die Wasserhärte, aber sie sind auch essenzielle Geschmacksträger im Wasser. Bei der Enthärtung werden sie entfernt, dafür wird Natrium hinzugefügt. Ein natriumreiches Wasser schmeckt anders als eines, das reich an Magnesium und Calcium ist. Ein Wasser braucht ein ausgewogenes Gleichgewicht an allen Mineralien. Ein stark magnesiumhaltiges Wasser schmeckt beispielsweise bitter.

Apropos bitter. Nitrat oder Mikroplastik schmecken wir nicht. Wie gelangen chemische Substanzen dieser Art in unser Wasser und wie bekommen wir sie da wieder heraus?

In der Natur versucht jedes System, ins Gleichgewicht zu kommen. Wasser ist ein Lösungsmittel. Wenn beispielsweise viel Blei oder Kupfer in einem Leitungsrohr ist, sich aber kein Blei oder Kupfer im Wasser befindet, ist immer eine treibende Kraft vorhanden, die sich vermischen will, also Stoffe des anderen Systems herauslöst. Unerwünschte Stoffe lassen sich aber auch wieder aus dem Wasser entfernen, z.B. mit Aktivkohlefiltration oder Ionenaustauscher. Es ist aber auch eine Kostenfrage. Je mehr Schadstoffe gefiltert werden müssen, bevor das Wasser aus der Leitung kommt, desto teurer wird es. Wenn Mikroplastik in unserem Trinkwasser angekommen ist –  und die ersten Messungen belegen, dass dem so ist –, dann müssen wir auch den Preis für die Sicherheit bezahlen, dass dieser Schadstoff verlässlich aus unserem Wasser gefiltert wird. Wasserwerke leisten das aber noch nicht. Auch deshalb liegt für mich die Zukunft der Wasseraufbereitung und Wasserfiltration ganz klar am Point of Use, also am eigenen Wasserhahn. 

Müssen nicht auch wir Verbraucher umdenken?

In nicht einmal 100 Jahren haben wir ein Problem geschaffen, das uns noch viele Generationen beschäftigen wird. Jetzt, wo wir das wissen, sollten wir natürlich auch entsprechend handeln und den Schaden so weit wie möglich begrenzen. Nitrat und Plastik gehören nicht ins Wasser. Und doch ist es dort, weil wir es dort eingebracht haben. Wenn wir verhindern wollen, dass es über den Wasserkreislauf wieder zu uns zurückkommt, müssen wir in der Konsequenz dafür sorgen, dass es gar nicht erst hineingelangt. Was um so mehr an Bedeutung gewinnt, da wir nicht in der Lage sind, die Schadstoffe mit unseren körpereigenen Sensoren wahrzunehmen. Denn es war nie von der Natur vorgesehen, dass sie in unserem Trinkwasser vorkommen. 

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