Wie gut ist das Leitungswasser in Deutschland?
von Lukas Koch
Der Verbraucher kann davon ausgehen, dass es sich bei Leitungswasser um ein gut kontrolliertes Lebensmittel handelt. Quelle: http://unsplash.com | Autor: Manki Kim
Berichte über zu hohe Nitratwerte, Keimbelastungen und gesundheitliche Gefahren durch veraltete Bleirohre lassen das Vertrauen in das angeblich bestkontrollierte Lebensmittel schwinden. Leitungswasser hat einen langen Weg hinter sich, bevor es bei uns aus dem Hahn kommt. Wo kommen die Schadstoffe her? Und wie viele landen tatsächlich bei uns im Glas?
Leitungswasser wird in Deutschland aus sogenanntem Rohwasser gewonnen. Das wiederum besteht mit einem Anteil von 69 Prozent hauptsächlich aus Grundwasser. Die restlichen 31 Prozent setzen sich aus Oberflächenwasser, Uferfiltrat und künstlich angereichertem Grundwasser zusammen. Obwohl das Grundwasser durch viele filternde Schichten aus Erde und Gestein sickert, vermag die Natur nur einen Teil der Verunreinigungen zu beseitigen. Potentielle Schadstoffe wie Nitrat, Medikamentenrückstände und Mikroplastik gelangen über verschiedene Wege in unser Grundwasser.
Häufige Schadstoffe im Grundwasser
Medikamentenrückstände lassen sich flächendeckend in Fließgewässern, Boden- und Grundwasserproben finden. So gelangen beispielsweise Hormone aus der Anti-Baby-Pille mit dem Urin über das Abwasser zurück in den natürlichen Wasserkreislauf. Antibiotika nehmen entweder den gleichen Weg oder werden durch landwirtschaftliche Nutztierhaltung und den daraus stammenden Düngemitteln auf Böden und Felder und damit ins Grundwasser eingebracht. Experten warnen: Auch wenn einzelne Substanzen nur in geringen Dosen nachgewiesen werden und prinzipiell ungefährlich sind, ist nicht klar, welche Wechselwirkungen zusammengenommen ausgelöst werden.
Ein anderes bekanntes Problem sind stark erhöhte Nitratwerte. Die konventionelle Landwirtschaft setzt stickstoffhaltige Kunstdünger und Gülle ein, um hohe Erträge auf den Feldern zu erzielen und so der Nachfrage an Fleischprodukten durch den Verbraucher gerecht zu werden. Dadurch gelangt Nitrat in Böden und Gewässer. Bei 18 Prozent der Grundwasserproben in Deutschland wird regelmäßig der Schwellenwert von 50 Milligramm Nitrat je Liter überschritten. In Gegenden mit einem hohen Anteil an landwirtschaftlich genutzten Flächen liegt der Wert sogar bei 28 Prozent der Proben. Nitrat stört unter anderem die Jodaufnahme und die Fähigkeit des Blutes, Sauerstoff zu transportieren.
Neu ist dagegen das Thema einer Belastung mit Mikroplastik. Immer mehr Studien weisen winzige Plastikpartikel in unserem Trinkwasser nach. Eine Studie, die im Auftrag des gemeinnützigen Journalistenverbandes Orb Media durchgeführt wurde, zeigt, dass 83 Prozent des Leitungswassers weltweit Mikroplastik enthält. Die Auswirkungen von Mikroplastik im menschlichen Organismus sind noch unerforscht. Anders als bei diversen Krankheitserregern und bekannten Schadstoffen wie Chrom, Quecksilber und Nitrat ist in der deutschen Trinkwasserverordnung für Mikroplastik kein Grenzwert festgelegt. Die WHO kam im August 2019 zu dem Ergebnis, dass aktuell für den Menschen keine Gesundheitsgefahr bei der Aufnahme von Mikroplastik über das Trinkwasser besteht. Sie räumt allerdings ein, dass ihre Untersuchung nur sehr oberflächlich war, da nur 9 von 50 der herangezogenen Studien sich konkret mit Mirkoplastik im Trinkwasser beschäftigten.
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Wasserwerke in der Pflicht
Wasserwerke müssen nachweisen können, dass das von ihnen an die Verbraucher gelieferte Trinkwasser den in der Trinkwasserverordnung definierten mikrobiologischen, chemischen und radiologischen Qualitätsanforderungen entspricht. Dabei kommt eine Kombination verschiedener Filterverfahren und Aufbereitungstechniken zum Einsatz. Das so gewonnene Trinkwasser, das bei uns letztlich als Leitungswasser aus dem Hahn kommt, ist allerdings nicht völlig frei von Schadstoffen. Es müssen lediglich die vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten werden.
Zudem weist die Liste der in der Trinkwasserverordnung berücksichtigten Schadstoffe Lücken auf, darunter eine Regulierung für das bereits erwähnte Mikroplastik. Eine neue EU-Richtlinie soll Grenzwerte an aktuelle Verbraucherbedürfnisse anpassen und die bestehende Auflistung um 18 Schadstoffe erweitern, wie beispielsweise das als hormonaktive Substanz bekannte Bisphenol A. Die Richtlinien sind für die Mitgliedstaaten allerdings nicht bindend.
Neben verschiedenen Filterungstechniken, wie Aktivkohlefiltration und Umkehrosmose, kommen in den Wasserwerken auch andere Methoden zum Einsatz. Um den Nitratwert einhalten zu können, wird beispielsweise stark belastetes Rohwasser mit geringer belastetem Rohwasser vermischt. Dies wird über teure Bohranlagen aus großer Tiefe an die Oberfläche geholt. Steigende Leitungswasserpreise sind die Folge.
Nachdem das Wasser das Wasserwerk verlassen hat, wird es über das öffentliche Versorgungsnetz an die Haushalte verteilt. Gelegentlich kann es beispielsweise durch Baumaßnahmen vorkommen, dass Rohre beschädigt werden und so Keime in das Trinkwasser gelangen. Ein engmaschiges Kontrollnetz sorgt in solch einem Fall dafür, dass die Öffentlichkeit sofort informiert wird. Für immunschwache Bevölkerungsgruppen, wie ältere Menschen, Kranke oder Kleinkinder, stellen solche spontan auftretenden Verunreinigungen ein besonderes Risiko dar.
Trinkwasserqualität: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Die Tabelle zeigt, dass es vor allem bei mikrobiologischen Grenzwerten regelmäßig zu Überschreitungen kommt. Auch erhöhte Belastungen mit Blei und Nickel werden häufiger festgestellt. Quelle: http://palmundenke.de/ | Autor: TapWater Digest
Der Hausanschluss als Risikofaktor
Ab dem Hausanschluss ist der Hauseigentümer für die Trinkwasserqualität verantwortlich. Entscheidend ist, mit welchen Materialien das Trinkwasser in der Hausinstallation in Kontakt kommt. Manchmal werden kaputte Rohre nur notdürftig mit Kunstharzen geflickt, durch die potentiell Schadstoffe in das Wasser gelangen können. Steht Wasser längere Zeit in der Leitung, wie beispielsweise nach einem längeren Urlaub, kann beispielsweise viel Blei aus den Rohrleitungen ins Trinkwasser gelangen.
Das größte Gesundheitsrisiko geht von veralteten Bleirohren aus. Studien belegen, dass schon eine Aufnahme in kleinen Mengen über einen längeren Zeitraum die Blutbildung und die Intelligenzentwicklung bei Säuglingen und Ungeborenen beeinträchtigen. Auch bei Erwachsenen kann es die Funktion verschiedener Organe stören.
Wer sich nicht sicher ist, ob im hauseigenen Rohrnetz Blei verbaut wurde, kann dies beim zuständigen Wasserwerk testen lassen (Kosten: ca. 50 bis 100 Euro). Sollte ein Qualitätscheck ergeben, dass das Leitungswasser mehr als 10 Mikrogramm Blei pro Liter enthält, ist der Hauseigentümer verpflichtet die Leitungen auszutauschen.
Fazit: Verbesserungspotential
Leitungswasser kann, so garantieren uns die Wasserversorger, bedenkenlos getrunken werden. Während bei altbekannten Problemen wie Blei-Belastungen oder Verkeimung bereits ein relativ verlässliches Kontrollnetz etabliert ist, werden manche Schadstoffe noch nicht oder noch nicht streng genug überwacht. Überdies garantieren die Wasserversorger die Qualität des Wassers nur bis zum Hausanschluss. Ab hier ist der Eigentümer des Hauses für die Pflege und Wartung der Leitungen verantwortlich. Viele Menschen sind sich dieser Tatsache gar nicht bewusst.
Quellen:
- http://www.bwb.de/content/language1/downloads/twis_report2017_BWB_25082017.pdf
- https://www1.wdr.de/verbraucher/ernaehrung/trinkwasser/wasser-102.html
- https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/essen-trinken/blei-im-trinkwasser#textpart-1
- https://de.wikipedia.org/wiki/Trinkwasser#Qualität_des_Trinkwassers
- https://www.test.de/Blei-im-Trinkwasser-Alte-Rohre-muessen-raus-1200064-2200064/
- https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/medikamente-stadtwerke-warnen-vor-medikamenten-im-wasser-1.3649266
- http://www.ua-bw.de/pub/beitrag.asp?subid=0&Thema_ID=2&ID=1783&Pdf=No
- https://www.umweltbundesamt.de/themen/fakten-zur-nitratbelastung-in-grund-trinkwasser
- https://www.zdf.de/nachrichten/heute/europaeischer-gerichtshof-verurteilt-deutschland-wegen-nitraten-100.html
- https://utopia.de/stiftung-warentest-leitungswasser-mineralwasser-26788/
- https://www.nuernberg.de/imperia/md/esp/dokumente/konsumtipps_leitungswasser.pdf
- https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/374/publikationen/2018-05-22_uug_02-2018_trinkwasserqualitaet_2014-2016.pdf
- https://www.bild.de/ratgeber/gesundheit/leitungswasser/plastik-aus-dem-wasserhahn-34878948.bild.html
- https://www.tagesspiegel.de/themen/gesundheit/schon-wenig-blei-im-blut-verringert-die-intelligenz/409264.html
- https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/deutsches-trinkwasser-erhaelt-wieder-die-note-sehr-0
- https://www.ugb.de/ernaehrungsberatung/jodversorgung/?jodversorgung-jod
- https://orbmedia.org/blog/water-tap-bottled-microplastics
- http://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20181018IPR16523/neue-regeln-fur-besseres-trinkwasser-und-zur-verringerung-von-plastikmull
- https://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/mikroplastik-in-trinkwasser-wie-gefaehrlich-ist-das-who-legt-bericht-vor-a-1283051.html