UNESCO-Welterbe

Augsburg: Ohne Wasser keine Stadt

von Mona El Attar

Vom 13. Jahrhundert bis heute prägt reines Trinkwasser das bayerische Augsburg. Quelle: http://palmundenke.de/ | Autor: M.V. Baloglu

Die bayerische Großstadt Augsburg hat über Jahrhunderte hinweg die Trinkwasserversorgung ihrer Einwohner perfektioniert. Durch innovative Konstruktionen, die das Wasser für die Augsburger nutzbar machten. Die historische Wasserwirtschaft ist von solch großer Bedeutung, dass die Stadt 2019 als UNESCO-Welterbe ausgezeichnet wurde. Ein Besuch in der Fuggerstadt offenbarte bereits im August 2018, warum Augsburg diesen besonderen Titel verdient.

Es ist heiß an diesem Samstag im August. Die Sonne meint es heute viel zu gut mit Augsburg, es hat lange nicht mehr geregnet. Trotzdem ist die Innenstadt voller Menschen, die sich vor allem vor den Getränkeständen eines Marktes sammeln. Niemand hält es lange aus, ohne etwas zu trinken.

Stolz auf historische Wasserwirtschaft

Ein Tablett, zwei Gläser und zwei Glasflaschen schaffen Abhilfe. „Das gute Augsburger Wasser“ steht auf ihren Etiketten: „Das gibt es nur hier“, lächelt Tourismus Direktor Götz Beck. Und Augsburg hat in Sachen Wasser noch mehr zu bieten.

Zahlreiche Kanäle winden sich durch die Stadt. Mal oberirdisch, mal unterirdisch. Quelle: http://palmundenke.de/ | Autor: M.V. Baloglu

„Es war die Wasserwirtschaft, die Augsburg zu dem gemacht hat, was es heute ist. Und sie ist auch der Grund, weshalb wir uns für das UNESCO-Welterbe beworben haben“, beginnt Götz Beck und deutet auf eine der vielen Informationstafeln, die den Raum dekorieren. Sie zeigt Augsburg, seine großen dunkelblau dargestellten Flüsse, die die Stadt durchziehen und einrahmen: der Lech, die Wertach und die Singold. Feine, hellblaue Linien, die sich zudem über die Karte winden, symbolisieren die zahlreichen Kanäle, die die gesamte Stadt wie ein feines Netz durchziehen. Von je her waren sie die Lebensadern der Stadt.

Das Wasser und die Wirtschaft

Das Besondere an Augsburgs Wasserwirtschaft ist unter anderem, dass die Augsburger im Vergleich zu anderen Städten Mitteleuropas sehr früh damit begannen, den Lech anzuzapfen und kleine Kanäle, die sogenannten „Lechkanäle“, von ihm abzuleiten. Heute ist das Netz 192 Kilometer lang. Damit war der Grundstein für die innovative Wasserwirtschaft bereits gelegt. Jeder dieser 29 Lechkanäle trägt eine ungeheure Wasserkraft in sich, weil Augsburg am Fuße der Alpen liegt und das Wasser somit vom Gebirgsfluss in die Kanäle gedrückt wird. Schon im 8. Jahrhundert bauten die Augsburger hier die ersten Wasserräder zur Energiegewinnung. Somit konnten verschiedene Gewerke angetrieben werden: von Schleifanlagen über Mühlen bis hin zu Bohranlagen. Augsburg entwickelte sich binnen kürzester Zeit zu einer der führenden deutschen Handwerkstädte. „Die Stadt florierte auch im Bereich Textilwirtschaft, denn durch die Kraft des Wassers konnten Turbinen angetrieben werden“, erläutert Götz Beck.

Die Stadt florierte auch im Bereich Textilwirtschaft, denn durch die Kraft des Wassers konnten Turbinen angetrieben werden

— Götz Beck

Der prächtige Augustusbrunnen steht an prominenter Stelle auf dem Platz vor dem Augsburger Rathaus. Quelle: http://palmundenke.de/ | Autor: M.V. Baloglu

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Augsburger Wasserwirtschaft ist der öffentliche und kostenlose Zugang zu Trinkwasser. Bereits auf dem Weg zum Roten Tor im Süden der Stadt fallen uns die vielen Brunnen auf, die in der Innenstadt verteilt stehen. Neben den drei großen Prachtbrunnen – dem Augustus-, dem Herkules- und dem Merkurbrunnen – finden sich zahlreiche kleinere Brunnen an Hauswänden, in Gässchen und auch im Zentrum gemütlicher Plätze mit Parkbänken. „Es gibt in unserer Stadt 20 Trinkwasserbrunnen“, erzählt Stadtführerin Elisabeth Retsch. „Sie sind sowohl in der Innenstadt als auch im Stadtwald verteilt und immer mit der Aufschrift ‚Trinkwasser‘ versehen. Aus ihnen kommt Wasser, das immer frisch nachfließt. Daher hat es eine gute Qualität und ist frei von Krankheitserregern. Die Augsburger lieben ihr Wasser.“    

Dem Wasser auf der Spur

Die hohe Qualität kommt nicht von ungefähr. Bereits im Mittelalter erkannten die Augsburger, dass eine getrennte Trink- und Abwasserversorgung für die menschliche Gesundheit unabdingbar ist. Deshalb begann man, das Flusswasser und das reine Quellwasser aus dem Brunnenbach des Stadtwaldes zu trennen. Während die Lechkanäle weiterhin das Flusswasser transportierten, welches ausschließlich für die Abfallentsorgung, für den Transport von Waren und für den Antrieb der großen Wasserräder genutzt wurde, förderten im Boden verlegte Holzrohre das saubere Trinkwasser durch die Stadt.

Heute ist das Wasser im unterirdischen Kanalsystem trüb. „Irgendwo auf dem Weg von den Alpen bis hierher hat es geregnet“, meint Elisabeth Retsch. „Sonst wäre das Wasser klar.“ Quelle: http://palmundenke.de/ | Autor: M.V. Baloglu

Eine getrennte Versorgung für die Gesundheit

Wie genau das funktionierte, kann Elisabeth Retsch im Untergeschoss des ab 1463 erbauten Großen Wasserturms zeigen. Eine hölzerne Wand trennte hier einst Trink- und Brauchwasser voneinander. Es galt die strikte Anweisung, die Abfallentsorgung nur über bestimmte Kanäle oder die Flüsse zu betreiben. Und das Konzept funktionierte. Damals typische Infektionskrankheiten, die durch verunreinigtes Trinkwasser hervorgerufen wurden, flauten ab. Den Augsburgern ging es gut.    

Mit den Jahren entwickelten Augsburger Ingenieure mehrere ausgeklügelte Pumpkonstruktionen, die das Wasser hoch in die Wassertürme beförderten. Mittels des Höhendrucks wurde das Wasser dann auf ganz natürliche Weise von der Spitze des Turmes in die Oberstadt bewegt. Quelle: http://palmundenke.de/ | Autor: M.V. Baloglu

„Heute funktioniert die Trinkwasserversorgung natürlich anders“, meint Elisabeth Retsch. „Die Wassertürme sind schon lange nicht mehr in Betrieb. Aber als sie die Stadt noch versorgten, waren sie wahre Meisterwerke der Ingenieurskunst des 15. Jahrhunderts.“ Die Herausforderung, vor der die Befürworter einer flächendeckenden Trinkwasserversorgung in Augsburg standen, war die Tatsache, dass die Stadt geologisch in eine Unter- und eine zwölf Meter höher liegende Oberstadt unterteilt ist. Während die Wasserversorgung in der Unterstadt bereits durch die Holzrohre ohne Probleme aufgebaut werden konnte, mussten sich die Augsburger Ingenieure fragen, wie sie das Wasser in die Oberstadt schaffen sollten. Not macht bekanntlich erfinderisch, denn auch hier fanden Mensch und Wasser einen Weg.

„Die Technik, die die Ingenieure letztendlich für die Trinkwasserversorgung nutzten, stammt ursprünglich aus dem Bergbau“, erklärt Götz Beck. „Um das Wasser aus den Stollen zu entfernen, wurden spezielle Mechanismen entwickelt. Die Brunnenmeister der Wassertürme machten sich diese Technik zu eigen.“

Das frische Quellwasser aus dem Stadtwald wurde mittels Wasserkraft in die höheren Lagen transportiert. Durch ein einfaches, aber umso spitzfindigeres Prinzip: Das über die Trinkwasserkanäle einfließende Wasser trieb gigantische hölzerne Wasserräder an. Diese wiederrum brachten beispielsweise – neben anderen Pumpsystemen – sieben sogenannte Archimedische Schrauben in Bewegung, die das nasse Element nach oben in den Wasserturm beförderten. An der Spitze des Turmes angekommen, floss das Wasser mit viel Anlauf wieder nach unten und wurde durch den Druck des nachkommenden Wassers in die Oberstadt gestoßen. Nach und nach entstanden weitere Wassertürme, heute sind es sieben an der Zahl. Im Deutschland des 15. Jahrhunderts glich diese Erfindung einer technischen Sensation und schon bald wurden die Wassertürme zu einem Symbol für Fortschritt und Erfindergeist. Heute sind die Augsburger Wassertürme die ältesten ihrer Art in Mitteleuropa. Bis ins 18. Jahrhundert hinein versorgten 18 Pumpwerke in sieben Wasserwerken die Augsburger mit Trinkwasser. 1879 wurden die Wassertürme endgültig durch ein Wasserwerk am Hochablass abgelöst, da der Bedarf der stetig wachsenden Stadtbevölkerung die Kapazitäten der Türme überstieg.

Die „Stadtmetzg" in der Barfüßerstraße

Die „Stadtmetzg" in der Barfüßerstraße

Das prächtige Gebäude befindet sich im sogenannten „Lechviertel“ der Stadt. Der hochdekorierte Augsburger Stadtbaumeister Elias Holl erbaute die „Stadtmetzg“ direkt über einem Lechkanal. Dies hatte dreierlei Gründe: Zum einen sicherte er der Zentralschlachterei damit eine ausreichende Wasser- und Energieversorgung zu, zum anderen konnten die Fleischabfälle über den Kanal entsorgt werden und zu guter Letzt kühlte das fließende Kanalwasser die Fleischwaren, sodass sie lange frisch bleiben konnten. Quelle: http://palmundenke.de/ | Autor: M.V. Baloglu

Bewusstsein schaffen

Seit dem 8. Jahrhundert legt Augsburg großen Wert auf eine ausgezeichnete Trinkwasserqualität, versichert Elisabeth Retsch und fügt hinzu: „Aber durch die Medien wird man stark beeinflusst. Überall wird Flaschenwasser beworben, dabei hat das deutsche Leitungswasser eine gute Qualität.“


Der Wunsch von Götz Beck und Elisabeth Retsch ist wahr geworden: Im Sommer 2019 wurde Augsburgs Wasserwirtschaft der Titel als UNESCO-Welterbe verliehen. Die historische Wasserversorgung ist somit in die Liste der besonders erwähnens- und schützenswerten Denkmäler aufgenommen worden. Ein Erfolg für alle Beteiligten, die die vergangenen acht Jahre auf diesen Moment hingearbeitet hatten.

Weitere Informationen:

03. September 2019 Aktualisiert am: 25. September 2019 Autor: Mona El Attar

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